RAW vs JPEG

Warum ich keine unbearbeiteten Bilder herausgebe

Es gibt unterschiedliche Gründe, wieso ein Fotograf seine unbearbeiteten Bilder nicht heraus gibt (zumindest der Profi).

Kurze Zeitreise in die 90er-Jahre:

Als junges Mädchen habe ich es geliebt, Mamas Panasonic Filmkamera voll zu knipsen. Die Kamera war bei jeglichen Schulausflügen oder Mädelsabenden dabei. Eine spannende Zeit, nicht vorab zu wissen, ob die Bilder was werden. Ist die Belichtung gut genug? Ist es vielleicht verwackelt? Hauptsache Erinnerungen kreieren. 

Wenn der Film also voll war, bin ich ganz stolz zum Drogeriemarkt an der Straßenecke gelaufen und habe meinen Film zur Entwicklung abgegeben.

(An die jüngere Generation: Ja, wir hatten noch keine digitalen Fotos, geschweige denn stets eine Handykamera parat. Und die alten Kameras hatten nicht mal einen Bildschirm zur Kontrolle.)

Alle zwei Tage habe ich in dem Markt nachgeschaut, ob denn schon meine Bilder fertig sind. Nach gefühlter Ewigkeit fand ich endlich meine entwickelten Bilder in der Sortierkiste vor. Dort waren meine geknipsten Erinnerungen drin, aber auch so schwarze lange Streifen: Meine Bilder in Miniaturformat, auf denen jedoch die Gesichter ganz gruselig aussahen und alles in dunkel und absolut nicht brauchbar. Was macht man damit als Privatperson? Ich spoiler´ mal kurz:

Nichts!

Für Privatpersonen, ohne fotografisches Hintergrundwissen, waren diese sogenannten "Negative" völlig unbrauchbar. In einem professionellen Fotostudio/Labor konnte man sich aus diesen Negativen seine Bilder erneut entwickeln lassen.

 

So in etwa ist es auch heute noch. Das reine Foto aus der Kamera ist sehr langweilig, flach, entsättigt und hat kaum Farbe. Dies ist das sogenannte "RAW"- die Rohdatei. Man kann es mit dem früheren Negativ vergleichen, mit denen man ebenso wenig anfangen konnte.

Die RAW-Dateien machen es uns Fotografen möglich, Schattenräume aufzuhellen, mehr Kontrast und Farbe hinzuzufügen und mehr Spielraum für die eigene "Handschrift" zu haben. Dies war früher auch nur in professionellen Fotostudios möglich, nicht beim Entwickeln im Drogeriemarkt!

Erst nach der Bearbeitung wird ein Foto zum Foto.

 

Und die eigene "Handschrift" ist das andere Thema.

Selbst wenn ein möglicher Kunde augenscheinlich das Wissen zur Bearbeitung hat, so wäre es nicht mehr meine Aufnahme.

Ist das Bild auch noch möglicherweise für Dritte "unschön bearbeitet", wird der Editor gefragt: "Wer hat denn dieses Bild gemacht?". Zwangsläufig wird dann mein Name genannt. Ich habe den Moment zwar eingefangen, jedoch nicht mit meiner persönlichen Handschrift versehen. 

 

Wieso gibt ein Fotograf also keine RAW-Fotos raus?

Weil ihr es wert seid! Dafür zahlt ihr bei mir!

Nach jedem wundervollen Shooting, nach jeder Hochzeit, verbringe ich noch mehrere Stunden damit, eure Rohaufnahmen zu sortieren, auszuwählen, zu optimieren und liebevoll zu bearbeiten. Die Fotos werden dann zu einer schönen Geschichte zusammengestellt. Eurer Geschichte!

Mir liegt viel daran, als Handwerkerin ein Produkt zu schaffen und keine lieblosen Bilder abzugeben. 

 

Was genau macht ein Fotograf, der euch alle Fotos übergibt?

Wenn ihr großes Glück habt, kann der Fotograf in jeder Situation das Licht perfekt einschätzen und jedes Foto perfekt belichten. Er schafft es, in jeder noch so stressigen Situation, den manuellen Modus seiner Kamera perfekt einzustellen und das perfekte JPEG (=komprimiertes Endprodukt) zu schaffen.

Sollte es so sein - Herzlichen Glückwunsch!

Versteht das bitte nicht falsch, auch ich beherrsche meine Kamera im manuellen Modus. Jedoch schafft man es nicht immer, das Licht perfekt einzuschätzen. Da sind mir (und sicher auch euch) die Emotionen und die Erinnerungen wichtiger. Da ich ja die RAWs habe, und ich sehe meine fertigen Bilder schon beim erstellen, kann ich das fehlende Licht ausgleichen.

Leider kann man das vorweg nie richtig einschätzen, egal wie sehr Profi man auch ist.

 

Ihr müsst eurem Fotograf schon vertrauen, denn man heiratet ja nur einmal. Und schließlich sollte man den Fotografen wählen, dessen Look - seine "Handschrift" -  euch verzaubert.

 

Solltet ihr also einen Fotografen haben, der euch 5000 JPEG-Dateien zur Verfügung stellt, müsstet ihr diese erst einmal selbst durchsortieren. Lasst euch gesagt sein, dass das keine leichte Aufgabe ist, die perfekten Momente für die schönste Geschichte auszusuchen! Und dann müsste es jemandem geben, der möglicherweise etwas Ahnung von der Bearbeitung hat. Jedoch kann man aus dem komprimierten Bildformat nicht viel raus holen. 

Eine Hochzeit lässt sich nicht wiederholen!!!

Wenn ihr also auf der Suche nach einem Fotografen seid, orientiert euch nicht am günstigeren Preis. Vergesst dieses "Ihr bekommt ALLE Bilder!". Orientiert euch nach Gefühl, Sympathie, was zu euch passt und vor allem wer zu euch passt. Welcher Stil gefällt euch und wie groß ist euer Vertrauen zu der Person, die eure Erinnerungen festhalten soll.

Und seid wirklich dankbar, dass euer Fotograf all diese Arbeit für euch übernimmt und ihr somit ein "Rundum-sorglos-Paket" habt.